Wie übersieht man einen Elefanten?

In der Bündner Zeitung erschien kürzlich der Aufruf an die Bündner Jäger, nach heimischem Auerwild Ausschau zu halten, um dessen tatsächlichen Bestand zu ermitteln. Der Bestand sinkt aus „unerklärlichen Gründen“ seit ein paar Jahren. Schätzungen des Bündner Amtes für Jagd und Fischerei gehen derzeit von rund 320 Vögeln aus, das sind immerhin 35 bis 45 Prozent des Schweizer Auerhahnbestandes.

Wenn die Journalisten der Bündnerzeitung die Ursache schon mal vorsorglich beim Klima und den Freizeitsportlern orten – natürlich ohne jegliche Belege – ist das wohl eher als eine Übung in politischer Korrektheit zu betrachten, oder als ein weiteres Beispiel dafür, wie eine kleine, aber laute Minderheit mit Hilfe von finanzstarken NGO’s Einfluss auf die Presse ausübt.

Man darf sich zu Recht fragen, wie so viele „gescheite“ Leute den Elefanten im Raum übersehen können. Dabei gibt es bereits wissenschaftliche Studien, welche klar aufzeigen, wer denn eigentlich den Bodenbrütern tatsächlich zu Leibe rückt. Freizeitsportler und das Klima sind es jedenfalls nicht!

Gravierende Auswirkungen der Herdenschutzmassnahmen

Laut einer Metastudie aus dem Jahr 2020 sind freilaufende Herdenschutzhunde (HSH) ein grosses Problem, denn sie greifen deutlich häufiger andere wildlebende Tiere an, als Tiere, die sie tatsächlich abzuwehren hätten, wie zB. Wölfe (Smith et al. 2020). Die Studie fand, dass 62 wildlebende Arten direkt von der Wilderei der HSH betroffen sind, darunter auch das Auerhuhn und sogar auch elf Arten, die sich auf der „roten Liste“ der International Union for Conservation of Nature, kurz IUCN, befinden.

Alleine im laufenden Jahr sind in Graubünden 400 HSH im Einsatz. Dass es nach dieser enormen Zunahme von HSH in den letzten Jahren plötzlich weniger Auerwild gibt, sollte eigentlich niemanden überraschen, ist es doch bei weitem nicht der erste Fall, wo eine scheinbar „gute“ menschliche Einwirkung auf die Natur zu gänzlich ungewollten Auswirkungen führte. „Anstehende Probleme wurden gelöst, ohne dass die dabei entstandenen Fernwirkungen gesehen wurden“, schrieb schon Dörner 1989 in „Die Logik des Misslingens“.

Auch weitere Herdenschutzmassnahmen haben negative Auswirkungen auf wildlebende und bedrohte Arten. So verenden viele Kleintiere, wie Igel oder Kröten in den kilometerweise aufgestellten elektrifizierten Weidenetzen. Stromführende Zäune werden auch für grössere Tiere zur tödlichen Falle. Eine Studie aus Südafrika untersuchte über einen Zeitraum von 5 Jahren Vorfälle mit Wildtieren an einem 108 km langen Litzen-Elektrozaun (Pietersen 2022). Insgesamt waren 43 Wirbeltierarten betroffen. Dabei starben im Untersuchungszeitraum 213 Tiere in den Zäunen, u.a. Zwergantilopen, Schuppentiere und diverse Reptilienarten. Leider gibt es aus Europa keine vergleichbare Studie mit Weidenetzen. Die hiesige Wolfslobby erforscht lieber die nicht vorhandenen positiven Effekte der Wölfe.

Von einer weiteren unerwünschten Fernwirkung der Wölfe auf die Biodiversität haben wir bereits berichtet.

Referenzen

Pietersen, DW, (2022), Body Size, Defensive Behaviour, and Season Influence Mortality Probability in Wildlife Interactions with Electrified Fences, African Journal of Wildlife Research 52(1).

Smith, B., et al. (2020), The ecological effects of livestock guarding dogs (LGDs) on target and non-target wildlife, Journal of Vertebrate Biology.

Ein Kommentar

  1. Christoph said:

    Der Auerhahn ist zwar gefährdet, aber eben kein „Nutztier“ der Spendenkonzerne.

    Wir sollten aber auch nicht ausschliessen, dass der Auerhahn in einigen Jahren zu einem offiziellen Spendentier ernannt wird, welches von Bauern an den Rande des Aussterbens gebracht wurde.

    20. September 2023
    Reply

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