Und ewig grüsst die Herdenschutzlüge

Wie wenig Herdenschutzhunde (HSH) im Alltag tatsächlich nützen, bzw. wie sehr die Schafhalter von Agridea und Co. an der Nase herumgeführt werden, zeigt u.a. auch ein konkreter Fall aus Graubünden, den wir in diesem Beitrag vorstellen, wo auf einer durch HSH „geschützten“ Alp sogar mehr Schafe starben, als auf einer vergleichbaren Alp ohne jeglichen Herdenschutz.

HSH bringen wenig bis gar nichts

Jahr für Jahr preist Agridea in ihren Jahresberichten Herdenschutzhunde als effizienten Schutz gegen Wölfe an. Wie wir bereits ausführlich dargelegt haben, basieren diese Behauptungen auf falschen Zahlen und Berechnungen. In der Realität können die HSH kaum Risse verhindern und haben nicht einmal eine abschreckende Wirkung auf Wölfe. Auch die empfohlenen Zäune verhindern keinen einzigen Riss. Beides hat KORA Anfang Jahr sogar zugegeben (Vogt et al. 2022). Beides ist auch schon seit längerem durch mehrere wissenschaftliche Publikationen belegt. Wir haben darüber berichtet.

Wölfe können die HSH leicht austricksen, und schlechtes Wetter oder gewisse Eigenschaften des Terrains begünstigen ihr Versagen (Meuret et al. 2020, Vogt et al. 2022, van Liere et al. 2013). Dazu kommt noch ein weiterer Schwachpunkt: die HSH lassen sich anscheinend recht einfach demoralisieren, und haben dann gar keine Lust mehr, gegen die Wölfe anzutreten, um die Schafe zu verteidigen, wie das folgende Beispiel illustriert.

Maximaler Aufwand vergebens

Im Walliser Boten vom 6.9.22 wurde der Fall der Alp Schlappin Börter bei Klosters (GR) beschrieben, wo trotz maximalen Herdenschutzmassnahmen „nach Schulbuch“ innerhalb von 80 Tagen 105 Schafe an das dort ansässige Wolfspaar verlorengingen. Die Wölfe liessen sich weder von Zäunen, noch von den bei Tag und Nacht anwesenden Hirten oder HSH abwehren. Letztere haben die ersten Tage noch auf die Wölfe reagiert, dann aber ihre Motivation verloren. Letztlich blieb den Hirten und Schafen nur noch die Flucht von der Alp.

Im Vergleich zur Alp Schlappin Börter ist die AIp Roggio / Curciusa im Mesocco (GR) anerkanntermassen durch Herdenschutzmassnahmen mit zumutbarem Aufwand nicht schützbar. Die Verluste innerhalb von 70 Tagen betrugen dort gemäss dem zuständigen Bündner Amt 72 Schafe, und wurden ebenfalls von einem Wolfspaar verursacht.

Trotz enormem Herdenschutzaufwand wurden also auf der Alp Schlappin Börter mehr Schafe gerissen als auf der AIp Roggio / Curciusa, wo kein Herdenschutzaufwand geleistet wurde. Das Beispiel bestätigt eindrücklich, was die von uns genannten Studien vorausgesagt haben.

FAZIT: Die Risszahlen lassen sich nur massgeblich durch genügend Abschüsse senken. Vermehrte Anstrengungen beim bisherigen Herdenschutz bringen hingegen wenig bis nichts.

Referenzen

Meuret, M., et al., (2020), Missing shots: has the possibility of shooting wolves been lacking for 20 years in France’s livestock protection measures? The Rangeland Journal, (42).

van Liere, D., et al., (2013), Farm characteristics in Slovene wolf habitat related to attacks on sheep, Applied Animal Behaviour Science 144, 46– 56.

Vogt, K., et al., (2022), Wirksamkeit von Herdenschutzmassnahmen und Wolfsabschüssen unter Berücksichtigung räumlicher und biologischer Faktoren, KORA Bericht Nr. 105.

2 Comments

  1. Christoph said:

    Herdenschutz ist ein Marketinginstrument in der WolfsPR.
    Die wesentliche Zielsetzung besteht darin, breiten Kreisen der Bevölkerung zu vermitteln, dass die Wölfe in der Kulturlandschaft problemlos sind, da Weidetiere mit einfachen Massnahmen geschützt werden können.
    Die professionelle Wolfslobby relativiert natürlich im „Kleingedruckten“ die eigenen Botschaften, die sie ganz gross anpreist. Ein mangelhaftes Produkt mit viel PR.

    Die Wirkung des Herdenschutzes besteht darin, dass er geglaubt wird, nicht dass er echte Abhilfe schafft.

    29. Oktober 2022
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    • anna said:

      Hallo Christoph, danke für Deinen Kommentar! Da hast Du vollkommen recht. Die Herdenschutzlüge dient auch dazu, Wolfsabschüsse zu verhindern, und die Schuld am Schlamassel den Weidetierhaltern in die Schuhe zu schieben.

      29. Oktober 2022
      Reply

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