Herdenschutz funktioniert auch in den Abruzzen nicht

Mit Hilfe ihres gigantischen Budgets feiert die Wolfslobby die Wiederansiedlung des Wolfs in unserer Kulturlandschaft, jedoch mit einer trügerischen Hollywoodkulisse als grossartige Erfolgsgeschichte. Wölfe würden die kränkelnde Schweizer Ökologie und Biodiversität retten, Wild und Wald gesunden lassen, und die Raubtiere seien scheu und harmlos, heisst es. Der Herdenschutz funktioniere, und dank der Raubtiere gehe es den gealpten Schafen heute besser, als je zuvor – ein Blendwerk sondergleichen.

Solche inszenierten Illusionen werden früher oder später von der Realität eingeholt. Das Ökolgiemärchen ist demontiert, Wölfe sorgen nicht für eine Waldverjüngung. Stattdessen bleibt die Regulierung der explodierenden Wildbestände wie bereits vor der „Rückkehr“ der Wölfe an den Jägern hängen. Den Schafen auf den Alpen geht es schlechter denn je. Tausende werden von den Wölfen geplagt und zerfetzt, der Herdenschutz versagt kläglich. All das kommt in unserem Land peu à peu ans Tageslicht, und lässt sich nicht mehr schönreden.

Sozusagen als letztes Reduit bleiben vermeintliche Erfolgsgeschichten aus dem Ausland. Und so heisst es in der Pro Natura Mitteilung vom 28.11.22:

„Herdenschutz ist komplex und Patentrezepte gibt es keine. Erfahrungen etwa aus Italien zeigen aber: Herdenschutz reduziert die Wolfsschäden erheblich, wenn er vor der Rückkehr des Wolfes etabliert ist.“

Stimmt das? Bei der Wolfslobby fällt immer wieder ein Schlagwort, wenn es um erfolgreichen, traditionellen bzw. langjährig etablierten Herdenschutz in Italien geht: die Abruzzen. Nach kurzer Recherche fanden wir eine interessante Studie von dort (Fico et al. 1993). Damit müssten sich doch die Pro Natura Behauptung bestätigen lassen, oder?

Motivation für die Untersuchung
Wie Fico et al. gleich einleitend feststellen, gab es vor der Durchführung ihrer Forschungsarbeit keine Untersuchungen zu den Weidetierverlusten in Italien. Daher analysierten sie die von Wölfen verursachten Verluste in den Abruzzen, wo damals bereits eine wieder erstarkende Wolfspopulation lebte. Das Gebiet mit einer Fläche von 10’741 km² grenzt im Westen an das Appeningebirge, mit seinen bis zu 2’500 Meter hohen Bergen. Die Forscher verwendeten für ihre Analyse Daten der staatlichen Behörden zu Weidetierverlusten in den vier Abruzzen-Provinzen Aquila, Teramo, Pescara und Chiete der Jahre 1980-88.

Herdenschutz in den Abruzzen
Gemäss den Autoren werden Schafe und Ziegen vorwiegend zwischen Juni und Oktober auf den Weiden gehalten, wobei sie stets von Hirten und Hunden begleitet und bewacht werden. In der Nacht werden die Tiere in ein gesichertes Gehege verbracht.

Wölfe attakieren Weidetiere
Die Wölfe lebten vorwiegend im Nationalpark der Abruzzen in der Provinz Aquila, und im Gebiet Maiella in der Chieti-Provinz. 1976 waren es rund 35 Wölfe, und zwischen 1985 und 1986 schätzungsweise 60-80 Tiere. Die Behörden erfassten die Verlustzahlen pro Tiergattung separat, d.h., für kleine Wiederkäuer (Schaf, Geiss), Grossvieh (Kühe, Bullen, und Kälber) und Equiden. Die meisten Wolfsattacken, d.h. 82.1%, waren in Aquila zu verzeichnen, also dort, wo die Wölfe vorwiegend lebten.

Zwischen 1980 und 1988 attackierten die Wölfe im untersuchten Gebiet insgesamt 4600 mal Weidetiere, 2068 mal waren davon Schafe und Geissen, 1769 mal Equiden und 755 mal Grossvieh betroffen. Die jährlichen Attacken auf Schafe zwischen 1980 und 1988 sind in Abbildung 1 zu sehen. Gut zu erkennen ist, dass die Anzahl Attacken mit der Anzahl Wölfe zunimmt, bzw. eine steigende Tendenz aufweist. Das ist auch in der Schweiz so.

Abbildung 1: Anzahl der jährlichen Wolfsattacken auf Schafe und Geissen in den vier untersuchten Abruzzen-Provinzen.

Verluste bei Schafen und Ziegen
Pro Wolfsattacke starben laut der Studie durchschnittlich 5.95 kleine Wiederkäuer, im Minimum waren es 1 und im Maximum 101 Tiere. In untenstehender Abbildung ist der entsprechende Boxplot zu sehen.

Abbildung 2: Anzahl getötete Schafe bzw. Geissen pro Wolfsattacke (Boxplot). Min=1, Max=101,
25th percentile=2, Median=4, 75th percentile=7, und Mean=5.95.

Bestätigt die Studie die Behauptung von Pro Natura?
Mitnichten. Der Herdenschutz funktioniert auch in den Abruzzen nicht im geringsten – Hirtenkultur und Hunde hin oder her. Infolge der Wolfsattacken in den Jahren 1985-86 starben jährlich durchschnittlich 1’541 kleine Wiederkäuer, das entspricht bei den damals dort ansässigen 60 bis 80 Wölfen im Jahresdurchschnitt zwischen 19 und 26 getötete Schafe/Geissen pro Wolf. Diese Zahlen sind ähnlich hoch wie in anderen Ländern, die ebenfalls aufwändigen Herdenschutz betreiben. So entstanden in Frankreich im Jahr 2020 durchschnittlich 19 Weidetierverluste pro Wolf. Und das, obwohl die Franzosen auch Verteidigungsabschüsse praktizieren. Und im Kanton Glarus, wo 2022 erstmals die wahren Verluste von 210 Tieren publiziert wurden, waren es im Schnitt 26 Risse pro Wolf – dies unter der Annahme, dass ein Rudel bzw. 8 Tiere im Glarnerland leben.

Angesichts solcher Tatsachen den Herdenschutz mit Hirten und Hunden für eine erhebliche Reduktion der Wolfsschäden zu rühmen, ist geradezu pervers.

Und noch dies.
Pro Natura wirft den Weidetierhaltern des öfteren Polemik beim Thema Herdenschutz vor. In ihrer Mitteilung vom 22.11.22 heisst es, Zitat:

„Beim Herdenschutz besteht nach wie vor Luft nach oben. Aussagen, dass dieser in der Schweiz an seine Grenzen stosse, sind tatsachenwidrig.“

Der bisher praktizierte Herdenschutz stösst tatsächlich nicht an seine Grenzen, weil er überhaupt noch nie funktioniert hat. Und Luft nach oben besteht in der Tat: es müssen dringend wesentlich mehr Raubtiere abgeschossen werden. Insbesondere diejenigen Wölfe, die sich Mensch oder Haustier nähern. Das wussten schon unsere Vorfahren, die definitiv mehr Erfahrung mit den Räubern hatten, als Pro Natura und Konsorten es jemals haben werden.

Und was die von der Wolfslobby befürchtete Ausrottung betrifft: Hört endlich mit diesem irrationalen Unsinn auf. Wölfe sind und waren noch nie von der Ausrottung bedroht. Sie sollen einfach – wie zuvor – in der Wildnis leben. Sie gehören nicht in unsere Kulturlandschaft. So einfach ist das.

Referenzen

Fico, R., et al., (1993), The impact of predators on livestock in the Abruzzo region of Italy, Rev. Sci. Tech. Off. Int. Epiz. 12 (1)

Ein Kommentar

  1. Moni said:

    Rewilding läuft! Mit der Verzweiflung vertreibt man die Tierhalter von den Weidegebieten, alles unter dem Deckmantel Naturschutz. In Wahrheit geht es nur um das Geld. Die Natur ist eine lukrative Resource!

    23. Juni 2023
    Reply

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